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We are Space Science

Das suborbitale Raketenflugzeug Black Sky soll Wissenschaftlern einen kostengünstigen Zugang zur Schwerelosigkeit ermöglichen und dadurch die Forschung unterstützen.

Warum ist es so wichtig, medizinisch-physiologische Forschung in der Schwerelosigkeit durchzuführen?

Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich:

Prof. Ullrich in Schwerelosigkeit 1Forschen im Weltraum hilft uns in vielfacher Weise bei der Lösung von Fragen, die die Erde stellt. Viele wichtige Phänomene können überhaupt erst verstanden werden, wenn wir sie unter Weltraumbedingungen erforschen. Eine Trennung von sogenannter „terrestrischer Forschung“ und „Forschung im Weltraum‘ ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Es geht immer um grundlegende wissenschaftliche Fragen, ob man sie nun besser auf der Erde oder besser im Weltraum untersucht. Mehr „Labore“ im All, vor allem schneller und wiederholter Zugang, sinnvoll und von Wissenschaftlern koordiniert, kann ein gewaltiger Schritt für unseren Wissensgewinn sein. Es geht aber auch um ganz praktische Fragen für die bemannte Raumfahrt. Durch die Internationale Raumstation und konkrete Pläne aller großen Raumfahrtagenturen für Flüge zum Mond und Mars ist die bemannte Raumfahrt in eine neue Ära getreten. Menschen halten sich heute bereits viele Monate im All auf und in Zukunft könnten es Jahre sein. Das stellt völlig neue Anforderungen und wir müssen verstehen, wie genau die Schwerelosigkeit den Menschen beeinflusst, vom Molekül bis zum ganzen Organismus. In der Zukunft genügen nicht mehr nur die Phänomene, wir müssen die Zusammenhänge verstehen, bis in unsere Zellen hinein. Nur dann ist der Weg ins All mit einem akzeptablen Risiko machbar.

Dipl.- Biol. Isabell Iris Buttron:

Parabelflug Boden 2Astronauten sind bei einem Aufenthalt im Weltraum durch verschiedene Krankheiten gefährdet, da das Immunsystem in der Schwerelosigkeit anders arbeitet als hier auf der Erde. Nun ist die medizinische Versorgung im Weltraum, z.B. auf einer Raumstation, nicht einfach. Hier herrscht also Forschungsbedarf. Neben dem beachtlichen Nutzen, der sich durch diese Forschung für die Menschen im Weltraum ergibt, lassen sich aber auch wichtige Erkenntnisse in Bezug auf Störungen des Immunsystems im Allgemeinen ableiten. Beispiele für Störungen des Immunsystems sind Autoimmunerkrankungen wie z.B. der Diabetes mellitus, Allergien oder auch Immundefekte wie z.B. AIDS. Es gibt weitere Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper, z.B. auf Knochen und Muskeln, die ebenfalls im Fokus der Forschung stehen. Das bedeutet, diese Forschung ist auch sinnvoll für Patienten mit Erkrankungen der Knochen und Muskeln auf der Erde. Somit bringt die medizinische Weltraumforschung einen großen Nutzen für alle Menschen.

Gibt es aufgrund der vielen bisherigen bemannten Weltraummissionen nicht bereits genügend Erkenntnisse über sämtliche Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Organismus?

Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich:

Der bisherige medizinisch-physiologische Erfahrungshorizont erfasst relativ zuverlässig einen Zeitraum von etwa 30 Tagen im All, während aber die Veränderungen auf Ebene der zellulären und molekularen Vorgänge bisher weitgehend völlig unverstanden sind. Damit liegt auch die gezielte Entwicklung pharmakologischer Gegenmaßnahmen in weiter Ferne. Diese sind aber eine dringende Notwendigkeit, um die enormen medizinischen Probleme, die ein Langzeitaufenthalt im All z.B. für das Immunsytem und den Muskel- und Knochenstoffwechsel mit sich bringt, in den Griff zu bekommen. Der Bedarf an biowissenschaftlicher Forschung unter Weltraumbedingungen wird daher in den folgenden Jahrzehnten massiv zunehmen. Und die grundlegenden Prinzipien, wie und warum komplexes Leben überhaupt Schwerkraft braucht, sind nicht einmal annähernd verstanden. Und dieses Wissen wäre notwendig, wenn wir die Frage der Existenzfähigkeit von Leben nicht allein auf unseren Planeten beschränken möchte.

Gibt es ausreichend viele Forschungsplattformen in der Schwerelosigkeit, um diesen Bedarf zu decken?

Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich:

Die Internationale Raumstation (ISS) ist eine exzellente Forschungseinrichtung. Aber Vorlaufzeiten von mehreren Jahren, große Unflexibilität des Experimentes und seiner Bedingungen, die organisatorische Einbindung in den hochkomplexen Betrieb einer Raumstation, die eingeschränkte und komplizierte Logistik, der Verwaltungsaufwand und nicht zuletzt die hohen Kosten setzen der Forschung deutliche Limits. Moderne biomedizinische Forschung benötigt aber viele, kleine und wiederholbare Experimente, die flexibel und schnell dem Erkenntnisfortschritt angepasst werden können. Das ist mit suborbitalen Raumfahrzeugen wie der Black Sky möglich.

Warum ist es so wichtig, dass die Forschung im Weltraum von Menschen betrieben wird und nicht Roboter vollständig diese Aufgaben übernehmen?

Dipl.- Biol. Isabell Iris Buttron:

Parabelflug Boden 1 2Menschen dienen während ihres Aufenthaltes in der Schwerelosigkeit unter anderem auch als „Versuchskaninchen“. Auch das dient der Forschung. Die Wissenschaftler stellen sich für physiologische Tests in der Schwerelosigkeit zur Verfügung - das können unter anderem Reaktions- und Konzentrationstests sein, Messungen der Orientierung im Raum und des Gleichgewichtssinnes oder auch die klassische Blutprobe. So etwas kann natürlich nicht von Robotern übernommen werden. Ein vollautomatisiertes System für den Einsatz in der Schwerelosigkeit ist außerdem sehr teuer in Planung, Bau und Wartung. Darüber hinaus können Wissenschaftsastronauten aktiv in ein Experiment eingreifen, um beispielsweise einen Fehler zu korrigieren, der bei einer unbemannten Mission zum Verlust des Experiments führen könnte. Diese Flexibilität fehlt dem Roboter selbstverständlich. Obwohl einige Aufgaben von automatisierten Systemen in Labors in der Schwerelosigkeit durchgeführt werden können, ist daneben der Mensch unverzichtbar.

Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich:

Prof Ullrich in Schwerelosigkeit 2Die größten Entdeckungen der Menschheitsgeschichte wurden von Menschen gemacht, nicht von Maschinen. Des Menschen Intelligenz und Kreativität, sein Erfindergeist, seine Neugierde, sein beständiges Suchen nach dem Unbekannten, sein Mut und auch seine Bereitschaft, Gesundheit und Leben zu riskieren, all diese menschlichen Eigenschaften haben uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind. Roboter finden nur das, auf was sie vorbereitet sind. Roboter bewegen sich im Bereich von Bekanntem. Nur ein Mensch ist in der Lage, wirklich Neues und Unbekanntes zu finden. Seit Anfang 2000 arbeiten verschiedene Teams weltweit an der Entwicklung von bemannten suborbitalen Raketenflugzeugen, die neben der touristischen Nutzung auch der Forschung zu Verfügung stehen sollen. Einige dieser Projekte werden schon in 2014 einsatzbereite Systeme hervorbringen. We are spaceshipist das weltweit erste und bislang einzige Projekt unter diesen, das durch ein Crowdfunding finanziert wird. Durch das Crowdfunding fällt der ROI (Return On Investment) weg, also die Gewinnausschüttung und Rückzahlung des investierten Geldes an die Investoren. Durch We are spaceship können deshalb die Flüge mit dem suborbitalen Raketenflugzeug Black Sky allein zu den variablen Kosten plus Investment in die Projektweiterentwicklung betrieben werden. Der Flugpreis beläuft sich damit auf nur ca. 35% - 40% des sonst marktüblichen Preises für suborbitale Weltraumflüge. Allein der Nutzen des Raumschiffs steht im Vordergrund, nicht der Profit.

Welche Auswirkungen kann ein kostengünstiger Zugang zur Weltraumforschung auf die medizinisch-physiologische Forschung haben?

Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich:

Wir können die bisherigen Grenzen überwinden. Forschen unter Weltraumbedingungen und Forschen „auf der Erde“ kann viel besser zusammenarbeiten. Diese Forschung kann ohne Lenkung durch Politik und Verwaltung stattfinden. Wissen, Mut und Freiheit, diese Kombination ist ein großartiger Motor für den Fortschritt.

Dipl.- Biol. Isabell Iris Buttron:

Ein kostengünstiger Zugang zum Weltraum, um biomedizinische Forschung in der Schwerelosigkeit betreiben zu können, wäre ein großer Schritt für die Wissenschaft. Mit so einem Projekt spart man nämlich nicht nur Geld, sondern letzten Endes auch Zeit – und davon profitieren nicht nur unsere Astronauten, sondern auch die Patienten auf der Erde: Die Forschung kann schneller voranschreiten und damit die bemannte Raumfahrt und die für die Zukunft geplanten Langzeitmissionen unterstützen. Die Erkenntnisse aus der Forschung in der Schwerelosigkeit ergänzen die wissenschaftlichen Experimente in den Forschungseinrichtungen auf der Erde und tragen somit zur Entwicklung neuer und verbesserter Medikamente für alle Menschen bei.

We are spaceship arbeitet bei der Planung des suborbitalen Raketenflugzeugs Black Sky sehr eng mit den Wissenschaftlern zusammen, die ihren Arbeitsplatz in der Kabine des Raumschiffs selbst gestalten können. Die Black Sky wird gewissermaßen um die Bedürfnisse der Wissenschaftler herum gebaut. Dies führt unter anderem dazu, dass viele Experimente an Bord der Black Sky mit einer Standard-Laborausstattung durchgeführt werden können, was an vielen Stellen erhebliche Kosten für die Entwicklung von Spezialausstattungen einspart. We are spaceship möchte auf diesem Wege der Weltraumforschung dienen, die im Verborgenen einen erheblichen Beitrag für die Lebensqualität aller Menschen leistet. Als Nutzer des suborbitalen Raketenflugzeugs Black Sky kommen alle Raumfahrtagenturen mit eigenem Forschungsprogramm (DLR, ESA, NASA, CNSA, ISRO, usw.) in Frage.

Über die Interviewpartner:

Prof., Hon-Prof., Dr.med., Dr.rer.nat. Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich

  • Director and Full Professor (Ordinarius), Institute of Anatomy, Faculty of Medicine
  • Professor (Hon.-Prof.) of Space Biotechnology
  • Department of Machine Design (IMK), Engineering Design and Product Development, Institute of Mechanical Engineering
  • Otto-von-Guericke-University Magdeburg, Germany
  • Academician (CM) of the International Academy of Astronautics
  • Head of Space Medicine / Life Sciences and Member of the Council
  • German Society for Aerospace Medicine
  • Principal Investigator for several parabolic flights, suborbital and orbital research projects

Dipl.- Biol. Isabell Iris Buttron

  • Zellbiologin
  • Projektbezogene wissenschaftliche Mitarbeit an verschiedenen Höhenforschungsraketenprojekten
  • Member of Swiss Space Association
  • Member of Mensa Switzerland – the largest and oldest high-IQ society
  • Beraterin für die wissenschaftliche Nutzung im Rahmen des Projekts We are spaceship